Führungspositionengesetz
10 Jahre Führungspositionengesetz: Eine Erfolgsgeschichte?

Was hat 2015 den Umschwung für das Führungspositionengesetz eingeleitet?
Seng: Die entscheidenden Veränderungen für mehr Frauen in Spitzengremien wurden durch das Führungspositionengesetz (FüPoG 2015) ermöglicht. Von größter Bedeutung war die Einführung einer Geschlechterquote von 30 Prozent in den Aufsichtsräten börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen. Hinzu kam eine Pflicht zur Festlegung von Zielgrößen für den Frauenanteil in Aufsichtsräten, Vorständen und den obersten Managementebenen der Unternehmen, die entweder börsennotiert sind oder mehr als 500 Beschäftigte hatten. Diese gesetzlichen Maßnahmen haben letztlich dazu beigetragen, dass heute so viele Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft vertreten sind, wie nie.
Die Regelungen des Führungspositionengesetzes wurden vor drei Jahren ja noch erweitert. Warum?
Seng: Richtig. Mit dem FüPoG II erfolgte 2022 eine Erweiterung der gesetzlichen Regelungen, nachdem freiwillig zu wenig umgesetzt worden war. Es kam das Mindestbeteiligungsgebot für Vorstände als wesentliche Erweiterung hinzu, zudem wurden die Regelungen zu den Zielgrößen verschärft.
Wie spiegelt sich das aktuell in den Zahlen von Frauen im Topmanagement wider?
Seng: In der Privatwirtschaft ist das Bild aktuell gemischt. Nach dem Women-on-Board-Index mit Stand Mai 2025, in dem FidAR die Entwicklung in den Spitzengremien der deutschen Börsenunternehmen misst, ist zum ersten Mal seit Inkrafttreten des ersten Führungspositionengesetzes der Frauenanteil in den Aufsichtsräten von 37,3 Prozent im Vorjahr auf 37 Prozent leicht gesunken. In den Vorständen hat sich das Wachstum merklich verlangsamt, mit 19,9 Prozent sind ein Fünftel der Toppositionen mit Frauen besetzt – im Vorjahr waren es 19,3 Prozent. Von einer paritätischen Besetzung der Gremien sind die meisten Unternehmen somit noch immer weit entfernt.
Welcher Einfluss ist hier durch die gesetzlichen Regelungen zu beobachten?
Seng: Der Vergleich der Unternehmen, die unter die gesetzlichen Regelungen fallen, mit den Unternehmen, für die keine Vorgaben oder nur die Verpflichtung zur Benennung von Zielgrößen gelten, zeigt eindeutig die Wirksamkeit der verbindlichen gesetzlichen Vorgaben. Sowohl in den Aufsichtsgremien als auch in den Vorständen stieg der Frauenanteil bei den Unternehmen, die seit 2015 der festen Quote im Aufsichtsrat unterliegen, deutlich stärker als bei jenen, die nicht den gesetzlichen Regelungen unterliegen.
Reichen die gesetzlichen Regelungen für Geschlechterquoten denn aus?
Seng: Insgesamt spricht die Erfolgsbilanz der gesetzlichen Regelungen dafür, die festen Geschlechterquoten auf mehr Unternehmen auszuweiten. Denn die Geschlechterquote für den Aufsichtsrat gilt lediglich für Unternehmen, die börsennotiert und paritätisch mitbestimmt sind – und dies sind aktuell nur 101 Unternehmen. Das Mindestbeteiligungsgebot im Vorstand gilt sogar nur für 60 Unternehmen der Privatwirtschaft. Denn betroffen sind nur börsennotierte und paritätisch mitbestimmte Unternehmen, die mehr als drei Personen im Vorstandsgremium haben. Die Freude über die Wirksamkeit der gesetzlichen Vorgaben wird daher durch deren geringe Reichweite getrübt.
Welche Grundlage hätte diese Ausweitung der Gleichberechtigung?
Seng: Wir beziehen uns hier auf den deutschen Verfassungsgrundsatz nach Art 3 Abs. 2.: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Leitungspositionen sollte Normalität sein. Das Ziel bleibt dabei die paritätische Besetzung der Führungspositionen in den Unternehmen.
„Der Durchbruch für mehr gleichberechtigte Teilhabe kam nur mit gesetzlichem Druck.“
Attila Khan: Vielen Dank für das informative Gespräch, Frau Prof. Dr. Seng!
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