TOPMANAGER JOURNAL 03/2024 – NACHGEFRAGT
Wie gelingt ein beruflicher Neustart
für Führungskräfte 50plus?
Viele Führungskräfte 50plus stehen vor einer besonderen Herausforderung – der beruflichen Neuorientierung. Sie wird oft durch veränderte Randbedingungen, familiäre Veränderungen und eine andere Sicht auf die eigene Wertewelt ausgelöst. Man hat das Gefühl, bereits alles erreicht zu haben und fragt sich: “Und jetzt?”. Daraus entwickeln sich oft Unzufriedenheit, Unsicherheit und Veränderungswünsche. Es beginnt dann meist eine Phase der intensiveren Selbstbetrachtung und Selbstwahrnehmung.
1. WARUM WIRD ES WICHTIG, SICH AB 50plus INTENSIVER MIT SICH SELBST AUSEINANDERZUSETZEN?
Dirk Sikora: Ab Anfang 50 geschieht sehr viel Spannendes im Leben einer Führungskraft. Man hat die Karriereleiter erklommen, die meisten Ziele erreicht. Dennoch will sich eine wahre tiefe Zufriedenheit nicht einstellen. Man fragt sich stattdessen, was als nächstes kommen soll. Hinzu kommen familiäre Veränderungen. Die Kinder haben das Haus verlassen, was einen signifikanten Wandel in der familiären Dynamik zur Folge hat. Gleichzeitig verändert sich die eigene Wertewelt, was nicht zuletzt auch durch hormonelle Änderungen beeinflusst wird. Diese Kombination führt dazu, dass man intensiv über sich selbst und sein Leben nachdenkt. Es ist wichtig, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen, um eine Neuorientierung in der Karriere 50plus und im Privatleben zu ermöglichen.
2. WELCHE ASPEKTE SPIELEN DIE GRÖSSTE ROLLE für Führungskräfte 50plus?
Dirk Sikora: Oft erkennt man, dass sich Unzufriedenheit und die Frage nach dem Sinn des eigenen Handelns einschleichen. Führungskräfte 50plus beginnen dann, ihren bisherigen Selbstanspruch an Leistungsfähigkeit zu hinterfragen. Der hohe zeitliche Einsatz, die Belastung bis an die Grenze des Machbaren und die fehlenden Möglichkeiten einen wirklichen mentalen Ruhezustand zu erreichen, spielen eine wesentliche Rolle. Physische und psychische Probleme können dann auftreten, die früher vielleicht weniger bedeutend waren, weil der Körper sie einfach besser verkraftet hat.
Diese Probleme reichen von Stresssysmptomen und Burnout bis hin zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen. In manchen Fällen entwickeln sich Ängste, die nicht nur die berufliche, sondern auch die persönliche Lebensqualität stark beeinträchtigen. Diese Aspekte sind ein klarer Indikator dafür, dass eine Neuorientierung notwendig ist und dass man sich dringend mit seiner aktuellen Situation auseinandersetzen muss.
3. WAS SOLLTE MAN DANN TUN, WENN MAN HANDLUNGSBEDARF ERKENNT?
Dirk Sikora: Der Lösungsansatz kann methodisch angegangen werden. Darin sind Führungskräfte 50plus erfahren. Wenn es jedoch um das eigene Wohl geht, erkenne ich da allerdings eher einen „blinden Fleck“. Glaubenssätze wie „Du musst stark sein“, „Sei perfekt“ oder „Streng Dich an“ sitzen in dieser Altersgruppe leider erziehungsbedingt unglaublich tief. Oft haben sich solche Glaubenssätze auch im Laufe des Berufslebens entwickelt und waren Garant für höchste Performance. So weit, so gut. Jetzt sind die meisten aber an einem Punkt, wo sie das Hinterfragen, da genau das nicht mehr ins Bild passt. Wenn man nun das Gefühl bekommt, dass da einiges nicht mehr harmoniert, sollte man sich das eingestehen. Leichter gesagt als getan! Das ist für viele Highperformer ein nicht ganz trivialer Akt der Selbstfürsorge. Es ist aber wichtig, nicht lange zu zögern, sondern sich der Sache anzunehmen.
4. WIE GELINGT DER BERUFLICHE NEUSTART IN DER LEBENSMITTE?
Dirk Sikora: Um den Weg erfolgreich zu gehen, sind bestimmte Voraussetzungen notwendig: Ergebnisoffenheit, Mut, Neugier und die Bereitschaft, sich selbstkritisch zu hinterfragen. Es ist essenziell, auch unangenehme Fragen zuzulassen und persönliche Glaubenssätze sowie deren Risikopotenzial zu erkennen. Daraus entwickelt man Erlaubenssätze und ein Chancenpotenzial, das den Weg zur erfolgreichen Neuorientierung ebnet. Es bedarf auch der Bereitschaft, Risiken einzugehen und neue Pfade zu beschreiten, die vielleicht außerhalb der bisherigen Komfortzone liegen. Diese Eigenschaften ermöglichen es, eine fundierte Basis für eine nachhaltige persönliche und berufliche Entwicklung zu schaffen.
Die Veränderungen, die mitunter erforderlich sind, können gravierend sein. Ich spreche daher nicht umsonst von einer Transformation. Es geht nicht nur darum eine Veränderung des Verhaltens an der Schnittstelle zum „Außen“ zu herbeizuführen. Die Transformation setzt beim „Inneren“ an. Es geht um Ihre eigenen Bedürfnisse und Werte, und inwieweit diese noch erfüllt werden. Dazu werden komplexe Zusammenhänge sichtbar gemacht, um sie zu verstehen. Das Ziel ist, einen tiefgreifenden Wandel des eigenen Selbstverständnisses und der eigenen Haltung zu erreichen. Im Ergebnis ist es damit wesentlich mehr und tiefer als „nur eine Veränderung“.
Führungskräfte 50plus sind gut darin, Prozesse und äußere Umstände zu reflektieren und zu analysieren, doch bei sich selbst sind sie erfahrungsgemäß weniger routiniert. Hier kann ein professioneller Coach helfen, indem er Struktur in den Transformationsprozess bringt. Er unterstützt bei Analyse und Reflexion, hilft beim Sortieren der Gedanken und steht als Sparringspartner und Motivator zur Verfügung. [Weitere Informationen finden Sie im Blog-Beitrag: Neuorientierung ab 50: Ihr Weg zur Selbstbestimmung]
5. WELCHE ERFAHRUNGEN HABEN SIE BEI IHREN KLIENTEN GESAMMELT?
Dirk Sikora: Durch die Neuorientierung wird es möglich, das zu tun, was jetzt und in der Zukunft wirklich relevant und gewünscht ist. Das Spektrum der Lösungen, die meine Klienten mit meiner Unterstützung für sich entwickeln ist riesig. Manche bleiben im Unternehmen und übernehmen andere passende Aufgaben, für den reduzierten eigenen Leistungsanspruch, und sind damit glücklich. Andere machen sich selbstständig, entweder mit ähnlicher fachlicher Ausrichtung oder mehr mit Bezug auf ihre wahren inneren Bedürfnisse. Das sind manchmal sogar Jugendträume, die verwirklicht werden. Wiederum andere wechseln in Bereiche, wo sie im sozialen Sektor tief sinnhafte gesellschaftliche Aufgaben übernehmen.
Damit öffnen sich neue Welten, das Bewusstsein wird gestärkt und es entsteht das Gefühl, “irgendwie angekommen zu sein” (Wortlaut eines Klienten). Viele erleben eine gestärkte Selbstwahrnehmung und sind erfüllt von einem Gipfelgefühl, da sie ihren eigenen Weg gefunden haben. Sie berichten von einer neuen Lebensqualität und einem Gefühl der Erfüllung, das sie vorher nicht kannten. Die Neuorientierung ermöglicht es ihnen, ihre wahren Bedürfnisse und Fähigkeiten zu erkennen und zu leben, was zu einem insgesamt erfüllteren und glücklicheren Leben führt.
Ich empfehle jedem, der sich in der beschriebenen Lage befindet, die Herausforderung ohne langes Zögern anzunehmen und das Potenzial, das in jedem steckt, neu zu entdecken.
Vielen Dank für das informative Interview, Herr Sikora.
Planen Sie den nächsten Schritt für Ihre Karriere 50plus!
The Boardroom unterstützt Führungskräfte auf ihrem Weg zu beruflichen Veränderungen.
Lernen Sie unsere Karriereberatung kennen.
Gehen oder bleiben?
Treffen Sie eine fundierte Entscheidung für oder gegen Ihre aktuelle Führungsposition. Unsere Karrieretipps zum Jobwechsel.
Positionierung in Social Media
Wertvolle Tipps im Interview mit Klarissa Peters: Wie gelingt Führungskräften ein authentisches Personal Branding in den sozialen Medien?
Abonnieren Sie unseren Newsletter Topmanager Journal per E-Mail oder in LinkedIn Kanal The Boardroom – Karriereberatung für Top-Führungskräfte